Ankunft Melbourne
Wir kommen morgens mit dem Schiff in Melbourne an. Nach Sydney die zweite Grossstadtmetropole auf unserem Tourplan. Direkt am Fähranleger ist ein sehr schöner Strand, den wir für die erste Erfrischung nutzen, da es in der tasmanischen Wildnis herzlich wenig Möglichkeiten gab zu duschen. Die Stimmung ist sehr ausgelassen und trotzdem nachdenklich. Der Humor nicht mehr so derbe und willenlos wie am Anfang der Reise. Ich habe den Eindruck, dass in Tasmanien bei der Crew, mich eingeschlossen, ein gewisser Denkprozess in Gang gesetzt wurde. Diese ungezügelte Natur, die ihr eigenes Leben mit ihren eigenen Regeln führt. Unabhängig von werbeverseuchten Medienlandschaften, an die wir uns irgendwie schon viel zu lange ohne Gegenwehr gewöhnt haben. Ohne Verbotsschilder das richtige zu tun ist unendlich einfach wenn man mal irgendwas begriffen hat. Der australische Lifestyle und der ganze Umgang mit Obrigkeiten und Hierarchien basiert auf der einfachen Formel, was man machen kann- und nicht darauf, was man nicht tun darf. Man kann vielen bürokratischen Ansätzen mit einem ehrlichen Lächeln und ein paar netten Worten aus dem Weg gehen. Dieser Exkurs aber nur am Rande.
Wir hängen ein paar Stunden in alternativen Künstlervierteln ab, schreiben Emails, waschen den Dreck aus den wenigen Klamotten, die wir dabei haben usw. Melbourne ist voll von Musikern und Künstlern aller Art. Man hat das Gefühl, dass von staatlicher Seite recht viel für diese kreative Szene und die Vielfalt an sich getan wird. Dieser Eindruck hat sich nach einigen Gesprächen auch bestätigt. Man ist nicht wie in Deutschland, speziell in Hamburg in kulturellen Dingen meistens auf sich alleine gestellt. Auf den ersten Blick eine sehr junge Stadt mit sehr vielen jungen Menschen. Viele Clubs, die jeden Tag Live-Musik bieten. Authentische Ausstrahlung, eben nicht ganz so Tourismus orientiert wie Sydney. Das soll an dieser Stelle keinesfalls heissen, dass ich Sydney nicht auch grossartig finde. Meine Bewertungskriterien befinden sich alle auf einer sehr hohen Skala ohne ein erkennbares Limit nach oben.Melbourne – Northcote Social Club
Wir treffen gegen 17h zum Soundcheck ein. Der Club ist recht gross und Zentral gelegen. Wir treffen draussen auf der Terrasse die Jungs von TZU, mit denen wir zusammen heute Abend und noch eine weitere Show am nächsten Tag spielen werden. Wir stehen seit knapp einem Jahr in Kontakt; aber eben nur über Email und Telefon. Schön, sie mal in echt zu treffen. Wir merken nach wenigen Worten, dass wir uns alle sehr sympathisch sind und das da menschlich was geht. Wir haben offensichtlich eine ähnliche Haltung zum Musik machen. TZU haben hier an der Ostküste so etwas wie einen kleinen Heldenstatus inne, das wussten wir, doch den wirklichen Bekanntheitsgrad haben wir nicht erahnt. So oder so, gut für uns.
Der beiläufige Satz, dass die Show seit Tagen restlos ausverkauft sei, hat uns nicht wirklich gestört. Beim Soundcheck haben wir bereits zusammen gejammt, und Joel, der eine MC war recht verwundert als der Fall Böse plötzlich TZU-Songs Note für Note gespielt hat. Das hatte dann auch zur Folge, dass später während ihrer Show eine unvergessliche Jam-Session der beiden Bands stattfinden sollte. Der Fall Böse geht um 22h auf die Bühne, der Laden ist mit rund 400 Leuten gerammelt voll und wir wissen inzwischen in etwa, wie das australische Publikum funktioniert, also ziemlich gute Voraussetzungen. Wir spielen knapp 1 Stunde, die Leute stehen auf unser Zeug und gehen monstermässig ab. Lesley und ich erzählen Geschichten von Reise-Katastrophen, es wird sogar an den richtigen Stellen gelacht, was wohl bedeutet, dass uns jemand verstanden hat. Nach vier Zugaben verlassen wir klitschnass die Bühne. Eigentlich bewege ich mich nicht so gerne in Superlativen, aber wir sind der Meinung, dass das eines der grössten Live-Erlebnisse unserer gesamten Bandgeschichte war. Und das immerhin nach über 250 Live-Shows. Les und ich trinken noch einen Bourbon am Eingang und lassen unzählige Glückwünsche und „awesomes“ über uns ergehen. Viele sind sehr daran interessiert, was wir hier machen und fragen uns über die Band aus. Ich mache mein erstes und wahrscheinlich letztes Interview mit einem australischen Magazin und lerne anschliessend noch reichlich interessante und durchgeknallte Menschen kennen. Die Nacht wird verdammt lang und es sollten noch eine Menge skurriler Dinge geschehen. Die Details erspare ich mir an dieser Stelle. Danke Melbourne!