Last Exit Katoomba – Triselies 02.03.07

Nach einer nicht enden wollenden Autofahrt, erreichen wir gegen ein Uhr nachts Katoomba. Eine kleine Bergstadt in den Blue Mountains, ca. 2 Stunden von Sydney entfernt. Wir wecken die Empfangsdame vom Hotel und schlafen anschliessend wie Steine. Gegen späten Mittag bringen wir unser Equipment in den Club und haben ein wenig Zeit uns umzuschauen. Katoomba hat eine lange Hauptstrasse mit vielen kleinen Shops und Restaurants.

Allerdings ist sie extrem abschüssig und wäre somit eher für einen Downhill-Parcours für Mountainbiker geeignet. Es ist praktisch unmöglich, draussen Kaffee zu trinken, da die Tassen nach dem Abstellen vom Tisch rutschen. Eines dieser unzähligen, kleinen Details, die einen durch Australien verfolgen. Was mich mit diesem Ort verbindet, ist die Tatsache, dass eine Reihe der Texte unseres zweiten Albums „Viva dieser Tag“ auf einer kleinen Wiese in eben genau dieser Strasse entstanden sind. Verständlich, dass schnell so etwas wie ein heimisches Gefühl aufkommt. Gegen 23h ist der Laden ganz gut gefüllt und wir mobilisieren noch einmal die letzten Kräfte für die nächsten zwei Stunden und rocken uns noch ein letztes Mal die Seele aus dem Leib. Der letzte Ton, sieben Leute liegen über die Bühne verteilt auf dem Boden. Vorbei, Das war’s. Am nächsten Morgen versucht uns die Filmcrew weißzumachen, dass unser Tourbus über nacht gestohlen worden ist; hat aber keinen interessiert. Eine kleine Anekdote am Rande: Wenn ich mich recht entsinne, war es 1997, als Bente und ich genau hier die Geburtsstunde von Der Fall Böse erlebten. Eine richtige Band gab es damals noch nicht. Eine Open-Jam Session kam uns sehr gelegen. Bente am Schlagzeug, ein Typ, der sämtliche Hendrix-Riffs rauf und runter spielte, ein uralter Freak am Bass und ich am Mikrofon. Wir spielten zwei Stücke. Die ersten beiden Böse-Texte begleitet von Jimi Hendrix-Crossover-Style. Ein völlig unwirkliches Erlebnis damals. Als ich den alten Bassisten anschliessend bei ein paar Bier fragte, was er denn so beruflich macht, sagte er: „ ich gebe Menschen Ratschläge“. Welche Art von Ratschlägen?, fragte ich. „Ratschläge, die dir helfen zu überleben, brauchst du einen?, kostet dich 10 Dollar“. Die Barbesitzerin sagte:“you guys made history in this club, you have to come back sometimes“. Ich antwortete: ”vielleicht eines Tages, wenn wir reich und berühmt sind“. Nun, wir sind nicht reich, und wir sind auch nicht berühmt und werden es wohl auch nicht werden, aber es gibt die Band und wir sind wieder hier. Das ist doch wohl das einzige, was zählt. Hier begann alles und hier schliesst sich der Kreis.

Middleofnowhere – Hippie Kommune 28.02.07

Der Grund dafür, dass wir Coffs Harbour als Auftrittsort angegeben haben, ist der, dass es der nächste bewohnte Ort von der Kommune ist. Die Wegbeschreibung zur Kommune selbst, ist folgende: Ihr fahrt einfach 100 km auf dieser Schotterstrasse in Richtung Westen, dann links, und wenn ihr an einem Gefängnis vorbeikommt, bleibt auf keinen Fall stehen und filmt auch nicht. OK!? (Die Frage, warum hier ein Gefängnis steht, wird wahrscheinlich niemand beantworten können oder wollen). Das Navigationssystem ist nutzlos, da es weit und breit keine registrierten Strassen gibt. Ich weiss nicht mehr genau warum, aber aus irgendeinem Grund kursierte im Bus das Gerücht, dass unser Ziel eine schwule Hippie Kommune sei. Unser Kontaktmann Bruce fragte nämlich unter anderem, ob wir Pärchen in der Band hätten. Unsere Annahme wird durch unzählige, liebevoll verknotete, rosa Bändchen, die als Wegmarkierung an Ästen und Bäumen befestigt sind, untermauert.

Wir befinden uns nun also wieder mitten in den Bergen, auf kaum befahrbarem Untergrund, spielen Achterbahn und suchen ein Tal, das nirgends verzeichnet ist, um eine Horde schwuler Hippies zu treffen. Wir entdecken mitten im Nichts eine an einem Baum befestigte Tafel, auf der geschrieben steht: Come all tonight Des For Bose, 12-piece reggae band from Hamburg, womit wahrscheinlich wir gemeint sind. Also nehmen wir den Weg und landen in dem besagten Tal. Dort befinden sich einige kleine, bunt bemalte Hütten, ein Freiluftklo, eine ziemlich grosse Half-Pipe (für die Skater unter uns) und etwas, das irgendwie aussieht wie ein Clubhaus. Eine üppige Sonnenterasse ist in drei Meter Höhe komplett um das Gebäude gezimmert. An der provisorischen Bar räumt gerade jemand Bier in eine Art Holz-Kühlschrank. Meine erste Bekanntschaft mit einem echten Hippie, und das muss ja wohl einer sein. Er ist ca 2 Meter gross, heisst Tyrone, und besteht im Grunde nur aus Bart und Bauch. Von seinem roten, viel zu engem T-Shirt, lacht mir Mr T. vom „A-Team“ entgegen. Sieht lustig aus. Wir unterhalten uns kurz über Diesel-Generatoren und Hitler während sich die Terrasse langsam füllt. Wir werden von jedem, der neu hinzukommt, sehr herzlich empfangen. Alles sehr robuste Kerle. Man sagt uns, dass sich hierher nicht viele Menschen verirren und auch nicht gerne gesehen sind, es sein denn, sie werden persönlich eingeladen. Und ja, es gibt auch Frauen, was den einen oder anderen von uns sichtlich erleichtert. Bruce, ich nenne ihn mal Stammeshäuptling, lädt mich und die Film-Crew zu einer Rundfahrt durch die „Stadt“ ein. Während der Fahrt (man versteht kaum sein eigenes Wort) mit seinem Pick-up über brutal holpriges Gelände, welches den zwangsläufigen Tod jedes normalen Stadtautos zur Folge hätte, benutzt er Ausdrücke wie Innenstadt, Vororte, Reichenviertel, west- und eastend; man bemerke, dass wir gerade durch ein strassenloses, dicht mit Wald bewuchertes Gebirge fahren, in dem ca 80 Aussteiger in verstreuten, selbstgebauten Holzhütten und ausrangierten Wohnwagen leben. Er erzählt sehr skurrile Geschichten von Dieben, explodierenden Autos, Hubschraubern und halbnackten Typen im Schnee bewaffnet mit Schrotflinten. Die Leute hier haben ihre eigene Infrastruktur und sind allesamt Selbstversorger. Das benötigte Geld wird durch den Verkauf der angebauten Naturalien verdient. Ab und an fährt mal jemand in die nächste Stadt und besorgt das nötigste. Strom wird aus Solarenergie bezogen oder mit Generatoren erzeugt. Wasser gibt’s aus dem Fluss.

Im Clubhaus steht eine kleine Anlage für uns bereit. Wir fangen irgendwann nachts an zu spielen. Man merkt, dass die Leute sehr dankbar sind, mal wieder Live-Musik zu hören, offensichtlich eine sehr willkommene Abwechslung. Während des zweiten Songs erhalten wir bereits die Gage; in Form einer grossen Woolworth- Einkaufstüte voll mit Gras, die einer der Hippies in Joe´s Saxophon stopft. 50 Dauerkiffer wären schätzungsweise ein Jahr lang damit beschäftigt. Wie wir feststellen, sind hier Drogen aller Art, in jeglicher nur erdenklichen Form und Konsistenz, ein sehr gängiges Gebrauchs- und Grundnahrungsmittel, was auf der anschliessenden, ich nenne es mal leicht ausufernden aber sehr friedlichen Aftershowparty deutlich wird. Die Nacht wird lang, aber die Grenzen von Tag und Nacht haben sich für uns in den letzten drei Wochen aus bekannten Gründen ohnehin komplett verschoben. Wir sind von normalen Tagesabläufen und regelmässigen Schlafenszeiten soweit entfernt wie George W. Bush von einem zusammenhängenden Satz. An den nächsten Morgen kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich wache gegen späten Nachmittag in dem Auto unseres Technikers Jan auf, der Bandbus direkt hinter uns. Ich denke an das Geschehene zurück und habe das Gefühl, eine unglaubliche Erfahrung gemacht zu haben. Den anderen geht es sicher ebenso. Gäbe es so etwas wie einen Nullpunkt der körperlichen Belastbarkeit, dann hätten wir ihn jetzt erreicht. Wir sind auf unserer letzten Etappe; 700 km in Richtung Katoomba.

Zu den Hippies 26.02.07

Wir brechen mittags auf weiter gen Süden. Wir haben eine ganz besondere Mission vor uns. Das vorletzte Konzert soll in der Nähe von Coffs Harbour stattfinden, in einer autonomen Hippie Kommune.
Ich habe bis eben tatsächlich noch geglaubt, die Bar heisst so. Die Ansage ist allen ernstes, dass die Gage in Naturalien ausgezahlt werden würde. Wir sind also recht gespannt, was uns dort erwartet.

Brisbane – Columbian Bar 25.02.07

Wieder mal eine ziemlich grosse Bar mit Hotel darüber. 10-Bett Zimmer; hat ein bisschen was von Kinderheim. Wir befinden uns in einer Art Industrieviertel; die BMW-Filiale direkt gegenüber, Drive-in Bottleshops und kaum Parkmöglichkeiten. Die Leute, die dort so in dem Hotel abhängen machen auf mich den Eindruck, irgendwie gestrandet zu sein. Draussen brennt die Sonne und trotzdem sitzen ein paar verstrahlte in der ersten Etage in einem stockfinsteren Raum und daddeln stundenlang Egoshooter, einen Meter vor einer überdimensionalen Leinwand. Ein Ort, an dem man als Band keine besonderen Privilegien geniesst. Bevor man die alte, dicke Besitzerin mit asiatischem Einschlag nicht von seinen Qualitäten als Live-Band überzeugt hat, braucht man Diskussionen über Freigetränke und Gagen gar nicht erst beginnen. Der Auftritt läuft aber ziemlich gut und wird wieder mit einer sehr umtanzten Jamsession mit Culture Connect beendet, was die Hotel-Mama sichtlich freut. Die Folge ist, dass alle Getränke ab diesem Moment Frei sind, wir ein paar grosse Scheine in die Hand gedrückt bekommen und nicht wie die anderen Gäste schon morgens um 10 auschecken müssen sondern in Ruhe ausschlafen können. Keine besonderen Vorkommnisse bis auf ein paar Drinks auf den Sofas vor der Bar.