Wir landen nach einer entspannten Schiffsreise an der Nordküste von Tasmanien und werden von einer ziemlich derben Abenddämmerung empfangen. Schon zu Beginn ca. 350 Km langen Autofahrt zur Südspitze nach Hobart merken wir, dass wir an einem sehr besonderen Ort sind. Alles hier sieht irgendwie sehr gesund, vital und unverbraucht aus. So, als ob hier irgendwas richtig gemacht worden ist. Im besten Falle hätte die Fahrt über den Freeway ca. 3 Stunden gedauert und wir wären wie geplant gegen 21h im Hotel eingecheckt. Doch dann macht Lesley, irritiert von der sanften Stimme des Navi-Systems, in die er sich kurzerhand verliebt hat, einen folgenschweren Fehler. Er wählt den kürzesten Weg, nicht den schnellsten. Das wäre in anderen Gegenden wohl auch nicht so tragisch gewesen; hätten wir allerdings gewusst, dass im Zentrum von Tasmanien ein knapp 1800 m hoher Berg steht, den man nur mit max. 30 km/h im zick zack herauffahren kann, hätten wir das Ding wohl umfahren. Dazu gesellt sich die Tatsache, dass es mittlerweile stockdunkel ist, die Schotterstrasse von Kangoroos und Wombats belagert wird; und was am schlimmsten ist, unser Tank ist leer; und wer schon mal einen Diesel plattgefahren hat, weiss wovon ich spreche. Seit einer Ewigkeit also kein Zeichen von Zivilisation. Wir halten gegen 23h an und sondieren die weiteren Schritte. Die einzige Möglichkeit ist, noch ein paar hundert Meter zu fahren und zu hoffen, dass irgendwas hilfreiches passiert, ansonsten links ran und im Bus pennen, worauf nun wirklich keiner Bock hat, da wir alle komplett übernächtigt sind. Der Wagen rollt also noch ein bisschen geradeaus, und da fallen auch schon die ersten Jubelschreie von der Rückbank. Ein Lichtkegel; einen halben Kilometer schräg vor uns. Wir fahren einen kleinen Weg hinauf zu einem spärlich beleuchteten Haus mit Veranda, auf der zwei Männer mit einem Bier in der Hand stehen. Es könnten durchaus Jim Bob und John Boy Walton sein, sind sie aber nicht. Als ich das letzte Mal vor 8 Jahren in Australien war, hat sich in mir eisenhart der Glaube manifestiert, dass es keine Zufälle gibt. – Es ist ein Tankwart und sein Sohn! Der nette, ältere Herr macht also für uns nochmal die Tanke auf und wir können unsere Reise nach Hobart fortsetzen. Wir haben leider 2 Kangoroos auf dem Gewissen, die hier zu Dutzenden unseren Weg kreuzen, und Kollisionen, trotz ständiger Vollbremsungen und lebensgefährlichen Schlenkern nicht zu vermeiden sind. Gegen Mitternacht erreichen wir Hobart, die grösste Stadt auf Tasi, wie die Insel liebevoll genannt wird. Unsere erste Anlaufstelle ist die Republic Bar, in der wir am nächsten Tag unsere 3. Show haben werden.
Albury, Sodens – 10.02.07
Ortszeit 17.30, tierisch heiss. Ziemlich strapaziöse Busfahrt und immer noch irgendwie verstrahlt. Albury ist genau das Gegenteil von Sydney. Eine ländliche Kleinstadt. Das grösste Gebäude ist ein Geschäft für Jagd- und Fischereifachbedarf. Gegenüber ist das Sodens, aus dem wahnsinnig lauter Punkrock schallt. So recht will das gerade alles nicht zusammen passen, wirkt aber irgenwie sympathisch. Die meissten Locations hier sind in der Regel Hotels mit angeschlossenen Veranstaltungsräumen für Live Musik und so´n Zeugs.
In diesem Fall etwas heruntergekommen aber nett, ausserdem darf man hier rauchen, was in Australien eine absolute Seltenheit ist. Der Dialekt ist ein komplett anderer als in Sydney. Bei meinen ersten drei „Coke“-Bestellungen bei unterschiedlichen Tresenleuten, bekomme ich jeweils ein „Carlton“, ok, also doch erst mal wieder Bier. An der Rezeption kann man für 5$ Viagra kaufen. Der Veranstaltungsraum erinnert etwas an Irish Pubs, also klein und ebenerdig. In solchen Läden reicht es meistens, wenn man nur den Gesang über die PA verstärkt und sonst einfach so spielt wie im Proberaum. Wir bauen kurz unseren Kram auf und auf die Frage, wann denn der Techniker käme, gibt es ein entspanntes „he will come, mate“ zurück. Ist einfach alles wesenlich entspannter. In Deutschland wären schon längst hektische Telefonkonferenzen mit Bookern, Toumanagern und dem ganzen Gesocks am laufen. Er kommt dann auch kurz vorm Konzert, ist supernett und hat einen Arm in Gips. Auf die Frage, ob das denn ginge, sagt er: “one is enough, mate“. Als wir gegen 22h anfangen zu spielen, sind vielleicht gerade mal 30 Leute bei der Bühne, darunter 3 Frauen, die dafür aber aussehen wie Männer, der Rest amüsiert sich auf einer Geburtstagsparty im Nebenraum oder verständlicherweise im outdoor Bereich.
Der Auftritt selbst ist eigentlich recht angenehm. Der Sound ist gut und die Leute finden schnell Gefallen an uns und umgekehrt. Die familiäre Atmosphäre nutzen Les und Ich, den Leuten wirklich schmutzige deutsche Schimpfwörter beizubringen, die auch artig auf Kommando im Chor gebrüllt werden.
Die Ansagen zwischen den Songs machen wir dann doch lieber auf englisch, wir spielen uns da ein bisschen die Bälle zu und das funktioniert auch ganz gut und scheint offenbar sympathisch anzukommen. Wir spielen bis ca Mitternacht, schütteln jedem Gast persönlich die Hand und verkaufen sogar ein paar CD´s. Anschliessend wird kurz abgebaut, da wir in 3 Stunden weiter müssen um rechtzeitig in Melbourne die 7 Uhr Fähre nach Tasmanien zu bekommen. Gunta, Svendrix und Bente verbringen trotzdem die restliche Zeit an der Bar und bekommen noch ein aufblasbares Plastik-Kangaroo geschenkt. Ans Ausruhen war eh nicht wirklich zu denken, da die Musik von unten so laut war, dass das Bett gewackelt hat. Ein schönes Zitat von Bente ist da noch hängengeblieben:“Ich kann hier eh nicht schlafen wenn ich nicht besoffen bin“.
Nachts um halb drei geht´s dann weiter; die 360 Km zur Fähre waren schnell abgerockt. Jetzt geht´s noch mal 10 Std über Wasser in Richtung Tasmanien, wo wir am Montag unseren dritten Gig haben.
Sydney/Tag X – 09.02.07
Freitag morgen müssen wir früh hoch. Es gibt reichlich zu tun. Svendrix fährt mit Will zum Flughafen um die Nachzügler aufzusammeln. Gunta und Jorge sind nun also auch Down-Under und werden erstmal ins Bett geschickt, um sich ein paar Stunden auszuschlafen. Ein paar Jungs machen sich auf, um die wichtigsten Dinge dieser Reise abzuholen: Bus und Backline. Alles quer verteilt über das gesamte Stadtgebiet von Sydney. (Ohne Navi würden wir da jetzt noch rumkurven) Bente traut sich als erster in den Linksverkehr und meistert die Aufgabe bravourös. Mit dem Bus geht es zu dem Fender-Rhodes-Typen in so einen miesen Vorort namens Epping. Seine Internetpräsentation sah ja ganz gut aus, aber den Laden dazu gibt es nicht. Nur drei völlig chaotische Werkstatt-Wohnzimmer mit diversen Tasteninstrumenten. Und der Typ selber ist genauso suspekt; kommt so ein bisschen rüber wie der typische Psycho-Serienkiller aus einem Hollywood-Film. Er spielt uns erst mal was auf seiner Heimorgel vor um uns anschließend einen Haufen Geld abzuknüpen. Mal sehen, ob wir unsere 600 Dollar „Security-Deposit“ jemals wiedersehen werden…
Weiter geht´s zu Billy Hyde ans andere Ende der Stadt. Die Backline ist soweit schon vorgepackt und kann direkt verladen werden (unser equipment steht genau neben dem von den alten Metal-Recken von Testament, ich dachte die wären schon alle tot). Ich versuche mich an der Bezahlung per Kreditkarte. Aber na klar: Kreditkarte funktioniert nicht mehr, wahrscheinlich ist das Tageslimit überschritten, stört aber keinen so richtig, da die Bürotante so ziemlich das hotteste ist, was uns bisher über den weg gelaufen ist. Letztendlich geht das alles nach ein paar Telefonaten aber doch klar und die blöden Deutschen blockieren nicht länger den Laden…
Danach wieder zurück zur Homebase, wo die schwierigste Aufgabe noch wartet: Packen! Viel zu viel Kram und viel zu wenig Platz. Lesley, bekannt für seinen Aktionismus, schraubt einfach mal fünf Sitze raus.
Jetzt bleiben uns noch neun. Es ist alles verdammt eng und die Hälfte unserer eigenen Klamotten müssen bei Will zwischenlagern; geht nicht anders. Aber wenigstens können wir jetzt losfahren, auch wenn der Bus immer noch komplett überladen ist.
Noch das Böse-Logo auf die linke Seitenscheibe und Abfahrt! We’re on the road! Allerdings nur kurz.
Ankunft 17h am Beach Road Hotel, Soundcheck. Alle leicht angespannt, da keiner so recht eine Idee hat, was hier denn wohl heute passieren würde und ob die ganze Sache mit deutschen Texten überhaupt funktioniert. Der Laden am Bondi Beach ist wohl, was Party-Locations angeht, eine der besseren Adressen in Sydney. Viele, sehr hübsche und teilweise völlig überstylte Ladies und die dazugehörigen blonden Klischeesurferboys. Der Laden füllt sich gen Abend auch so langsam, während Shannon, ein Rapper von der dort recht bekannten Truppe „The Herd“ mit seinem DJ das Vorprogramm hinlegt. Er kündigt uns nach seinem Set kurz an: „Da Foll Bousse“ from Hamburg, Germany…blablabla…auf die Bühne…eins zwei drei vier und ab…und plötzlich ist der Moment da, dem wir seit knapp einem Jahr fast täglich entgegengefiebern und der für uns auch irgendwie richtungsweisend für die ganze Tour sein könnte. Da stehen wir jetzt, am anderen Ende der Welt, ziemlich angetrunken vor knapp 250 Australiern und hauen den anfangs leicht verstörten Gesichtern unsere deutschen Texte um die Ohren. Und?!…es funktioniert!. Die haben einfach Bock auf Mucke und vor allem auf Live-Mucke, und wenn das rockt und tight ist, ist das völlig egal, ob die was verstehen oder nicht. Die Ladies fangen zuerst an zu tanzen und dann geht der Rest ja bekanntermaßen von selbst. Kurze Zeit später stehen schon zwei Typen bei uns auf der Bühne und versuchen zu freestylen, werden aber sofort von der sehr aufmerksamen security wieder von der Bühne geholt. Als nächstes gibt es einen ganz netten Oben-ohne Strip einer der Damen in der 1. Reihe, so bringt das Spass. Die Show dauert ca. 80 Minuten, kommt mir aber vor wie ne halbe Stunde. Insgesamt gesehen ist das musikalisch alles noch etwas holprig, was aber zu erwaten war nach den ganzen Strapazen, aber wenigstens können wir jetzt endlich das tun, wozu wir hergekommen sind. Musik!!! Der Laden macht dann auch kurz danach dicht.
Trotz der Tatsache, dass wir am nächsten Morgen um 9 wieder auf dem Freeway sein müssen, kommt irgendwie keiner auf die Idee, sich ins Bett zu legen. Wir ziehen also mit dem gesamten Tross inkl. Filmteam, Alkohol- und Adrenalin- geschwängert in das direkt am Strand liegende Bondi Hotel, wo auch schon ne ziemlich exzessive Party mit vielen Menschen, sehr lauter Musik und reichlich Drinks am laufen ist, viele von den Gästen haben uns wohl auch gerade nebenan spielen sehen. Also erstmal schön ohne Rücksicht auf Verlusste das Gesicht zunageln. Um es kurz zu machen: Ich, Lesley und Roman der Regisseur nehmen in den frühen Morgenstunden noch ein kurzes Pazifik-Bad (nackich), um uns danach noch kurz für zwei Stunden im Hotel abzulegen. Man kommt sich ab und an vor wie in einem Tarantino- oder David Lynch Film, alles wirkt ein wenig irreal und man fasst sich andauernd an den Kopf und fragt sich:“was tun wir hier eigentlich“.
Der Wecker reisst mich wenig später aus einem Traum, auf den ich hier nicht näher eingehen möchte. Kurz duschen und ab in den Bus. 600 Km in Richtung Südwesten etwas ins Landes innere.
Sydney/vor der Tour – 07.02.07
Die Sonne brennt, das Wasser kühlt, der Surfer surft, der Sand ist sandig – und Böse ist mittendrin:
Inzwischen haben wir mit dem Backline-, und dem Busverleih gesprochen, mit denen wir schon aus Hamburg Kontakt aufgenommen hatten. Da der Bus kleiner ist als erwartet, müssen wir die Verstärker etwas downsizen. Ist also nichts mit „MICH lauter auf der Bühne…!“ Roger von Billy Hyde Backline Hire ist ein sehr lockerer Typ, macht aber klare Ansagen: „Ahh, the Germans! Wee gaits? If you don’t use the roadcases, I’ll notice and you’ll be in trouble!“ Also auch nichts mit Platz sparen im Bus.
Uns jetzt was lustiges aus Sydney: ES REGNET!!! Ärgerlich, aber für Bjoern´s Teint recht erholsam. Nicht alle benutzen hier Sonnencreme wie im Film. Für morgen haben wir uns einen Proberaum gemietet, damit Lesley nicht versehentlich Songs von Juli spielt, mit denen er direkt vor der Reise 2 Wochen auf Tour war; außerdem ist hier alles auf dem Kopf und seitenverkehrt. Damit muß man erst einmal klarkommen! Klarkommen müssen auch Spätbucher Jorge und Gunta: Eben noch in Hamburg und Freitag direkt vom Flieger auf die Showbühne! Endlich Bühne: Es kribbeln die Finger und die Füße wippen. Wir können es kaum erwarten on the road zu sein und endlich das erste Konzert zu spielen. Auf den Straßen und in den Pubs machen wir schon ordentlich Werbung – jeder Zweite müsste inzwischen einen Flyer haben. Dementsprechend gehen wir guten Mutes dem ersten Gig entgegen. Wenn das mal ein Konzert wird….
Anreise/Ankunft in Sydney – 03.-05.02.2007
Entgegen unserer Annahme verläuft die Anreise problemlos. Kein Ärger mit Gepäck oder zollfreier Ware; lediglich Joe´s Saxophon wird auf Sprengstoff überprüft. Das Angebot einer ca. 60-jährigen-Australienexpertin, für uns als Roadie zu arbeiten, müssen wir am Frankfurter Flughafen aus logistischen Gründen leider ablehnen (Wir rufen Sie an! Wir!!!). Aufgrund unserer Anspannung und dem Blick ins Ungewisse sind die Bordvorräte an Gin-Tonic nach kürzester Zeit aufgebraucht.
Die erste Flugetappe bringt uns nach Dubai. Ein etwas seltsamer Flughafen; so ein Zwischending aus Schlafhalle und 1000 und 1 Nacht-Geschichte. Der 4-stündige Aufenthalt wird zur Erholung genutzt und mit Duty-Free-Einkäufen und arabischem Junk-Food überbrückt.
Nächster Halt Bangkok, 6 Stunden später. Die 30 Minuten Freigang nutzen die Raucher, um in einem abstellkammerartigen Nikotinknast die erstandenen Zigaretten zu konsumieren; ein Grund aufzuhören. Die letzte Etappe dauert 9 Stunden und fordert wirklich Kondition: Einige vegetieren vor sich hin, die anderen nutzen das großartige Multimediaangebot mit Arcade-Klassikern und Kinofilmen an jedem Sitz.
Nach insgesamt 36 Stunden landen wir endlich in Sydney. Ziemlich gerädert versuchen wir uns für die letzte Hürde zu organisieren, um auch noch durch den Zoll zu kommen. Alles kein Problem; die Freude über die angenehme, warme Morgenluft ist groß.
Heute Abend gibt es bei Bentes Patenonkel Will ein großes Willkommens-BBQ. Dort werden wir auch unseren Mischer Jan und Böse Ex-Rapper Lüdi treffen und es sollen die ersten australischen Filmsequenzen gedreht werden. In den Tagen bis zum ersten Gig am Freitag muß jetzt noch allerhand erledigt und organisiert werden. Es wird sich zeigen, ob wir alles hinkriegen und ob das Geld reicht… Bis bald mit mehr Worten, Bildern und auch Videos.